Expertise, Haltung & Konzept Katja Richter 1. September 2025

Expertise, Haltung & Konzept

Die Landesfachstelle Jungenarbeit & Geschlechterreflexion besteht seit 2007 und hat sich seitdem thematisch sowie strukturell stetig weiterentwickelt.

Was über die Jahre stets stabil geblieben ist, ist unser grundlegendes Tätigkeitsfeld. Es besteht darin, Sie als pädagogische Fachkräfte der sächsischen Kinder- und Jugendhilfe durch Weiterbildungs- und Fachberatungsangebote in Ihrem Arbeitsalltag zu unterstützen.

Logo der Landesfachstelle in Orange auf transparentem Hintergrund

Expertise

Wir fokussieren uns auf geschlechts- und männlichkeitsbezogene Fragen sowie deren Betrachtung im pädagogischen Setting.

Weiterentwickelt haben sich unsere Ansätze, unsere Gesellschaftsanalyse, unser Themenspektrum u. V. m. und wir begreifen diesen Prozess als weiterhin andauernd. So dürfen wir beispielweise auch mit euch jungen Menschen im Rahmen des Projektes „Brücken, die uns näher rücken – Begegnungen von Jungen und jungen Männer mit und ohne Rassismuserfahrung in Sachsen“ in Austausch kommen und mit und von euch lernen.

Ein Junge mit ernstem, eindringlichem Blick und weißer, plüschiger Jacke schaut direkt in die Kamera, er sitzt über einen Stuhl gelehnt. Hellbrauner Studio-Hintergrund.

Unseren aktuellen Stand...

…zu einigen Aspekten werden wir nachfolgend abbilden. Hier gibt es Informationen dazu, wie wir gendern und wen wir meinen, wenn wir z. B. von Jungen sprechen.

Wir freuen uns auf jede Gelegenheit, zusammen mit euch und Ihnen auf neue Gedanken zu kommen und unsere Perspektiven zu erweitern!

Unsere Haltung

Wir leben in einer Gesellschaft...

…in der Macht anhand bestimmter Merkmalskategorien unterschiedlich verteilt ist. Macht bedeutet zum Beispiel, dass eine Person bei einer Entscheidung sehr viele Möglichkeiten hat, oder dass jemand ohne große Hürden Zugang zu Orten und Wissen bekommt

Macht heißt auch mitentscheiden zu können, wer welche Möglichkeiten und Zugänge bekommt und wem zugehört wird. Macht zu haben heißt aber auch, dass es Menschen gibt, die weniger Macht haben. In welcher Merkmalskategorie Menschen landen, können sie sich nicht selbst aussuchen, da sie anhand willkürlicher Merkmale zugeordnet werden, die sie sich ebenfalls nicht aussuchen können.

Merkmalskategorien

Eine dieser Merkmalskategorien ist Geschlecht. Weitere sind beispielweise die Herkunft, die Religion, der Körper und seine Funktionen, die finanzielle Situation u. v. m. Mit welchem Geschlecht eine Person geboren wird, kann sie sich nicht aussuchen, ebenso wenig wie die Geschlechtsidentität, die sie entwickelt.

Orientierungspunkt

Trotzdem oder vielleicht auch deshalb kann Geschlecht im Aufwachsen junger Menschen ein wichtiger Orientierungspunkt werden. Dabei gelten Männlichkeit und Weiblichkeit als zentral. Diese sind mit spezifischen Anforderungen an das Verhalten und Auftreten von Kindern und Jugendlichen verbunden, denn in unserer Gesellschaft gibt es stereotype Vorstellungen davon, welche Geschlechter es gibt und was sie ausmacht. Das geht von Aussehen über Interessen bis hin zu Rollen und konkretem Verhalten.

Männlichkeitsvorstellungen

Für Jungen und werdende Männer gilt es unter anderem, eine dominante Position sowohl gegenüber anderen Männern als auch gegenüber Frauen und nicht binären Personen einzunehmen. Das soll über das Erfüllen bestimmter Männlichkeitsvorstellungen erfolgen. Für männliche Kinder und Jugendliche bedeutet dies, dass sie sich in einer Suchbewegung zwischen gesellschaftlicher Anforderung an ihre Männlichkeit und individueller Identitätsfindung ihres Mannseins befinden. Sie haben dabei sehr unterschiedliche Zugänge zu Männlichkeit.

Unterschiedliche Zugänge

Manche wurden schon immer als Junge angesprochen und mit Männlichkeitsbotschaften konfrontiert. Andere wurden fälschlicherweise als Mädchen behandelt und eher mit Weiblichkeitsbotschaften adressiert. Manche haben eher konservative und andere emanzipatorische Vorstellungen von Männlichkeit vermittelt bekommen oder sogar beides aus verschiedenen Richtungen. Manches davon finden junge Menschen gut und wollen es sich aneignen, anderes wiederum nicht. Und wieder anderes – das Meiste sogar – passiert einfach unbewusst, ohne dass sie eine konkrete Entscheidung darüber treffen.

Komplexität

Das klingt kompliziert und das ist es meistens auch. Männlichkeit als komplexes Konzept und gleichzeitig gelebte Praxis ist unumgänglicher Teil der Lebenswelt von allen Kindern und Jugendlichen. Sie dabei zu unterstützen, ihre Geschlechtsidentität zu finden, ist Teil pädagogischer Begleitung.

Unser Konzept

… von geschlechterreflektierender Pädagogik zu Männlichkeit holt alle Kinder und Jugendlichen an ihrem individuellen Zugang und ihren spezifischen Bedarfen ab. Gleichzeitig arbeiten wir bewusst parteiisch für die Rechte und das Wohl diskriminierter und benachteiligter Personen.

Unser Anspruch ist es, Geschlecht stets in Verbindung mit anderen Machtverhältnissen wie Rassismus, Ableismus, Klassismus, etc. zu betrachten. Diese intersektionale Perspektive ermöglicht uns, Machtdynamiken und daraus resultierende Vor- und Nachteile sensibler wahrzunehmen. So können wir komplexe Lebenswelten umfassender verstehen, junge Menschen in ihrer Vielseitigkeit wahrnehmen und pädagogische Handlungsmöglichkeiten ableiten.

4 Säulen der geschlechterreflektierenden Pädagogik:
Geschlechterreflektierende Pädagogik zu Männlichkeit besitzt für uns vier grundsätzliche Säulen, die den Charakter des jeweiligen pädagogischen Handelns prägen:

  • „Entlasten“

trägt dazu bei, junge Menschen von dominanten Bildern von Männlichkeit zu entlasten. Dies kann den Druck reduzieren, sich Männlichkeitsperformances oder Bewältigungsstrategien anzueignen, die sie selbst nicht wollen oder die ihnen schaden.

  • „Empowern“

beinhaltet, Verhaltensweisen und Interessen zu bestärken, die nicht den stereotypen Vorstellungen von Männlichkeit entsprechen und die von sozialem Umfeld und Gesellschaft eher abgewertet werden.

  • „Erweitern“

kann bedeuten, gezielt vermeintlich nicht männlich konnotierte Interessen oder Bewältigungsstrategien auszuprobieren und pädagogisch darauf hinzuarbeiten, dass männliche Kinder und Jugendliche eine Neugier für sich selbst hinter den geschlechtlichen Anforderungen entwickeln.

  • „Kritisch hinterfragen“

beschreibt den (möglicherweise konfrontativen) pädagogischen Umgang mit männlichem Dominanzverhalten und männlicher Macht. Da Männlichkeit auch mit Privilegien verknüpft ist, muss eine kritische Auseinandersetzung mit männlicher Positionierung fester Teil geschlechterreflektierender Jungenarbeit und Pädagogik zu Männlichkeiten sein.

Unser Blick auf Männlichkeiten ist geprägt durch die Anerkennung der Gleichzeitigkeit von Macht und Ohnmacht, von Privileg und Einschränkung, von Ressource und Belastung. Intersektional betrachtete Männlichkeitsbezüge führen sowohl zu Machtausübung und Täterschaft als auch zu Ohnmacht und Betroffenheit.

Unsere Analyse beinhaltet aber auch, dass die gesellschaftliche machtdynamische Einbettung von Männlichkeit im Patriarchat häufiger dazu führt, Macht und Täterschaft zu bewirken.

Davon gehen wir in unseren pädagogischen Ansätzen aus, auf der Suche nach Männlichkeit in einer gleichberechtigten Gesellschaft. Mit Akteur*innen, die dasselbe Ziel verfolgen, stehen wir gern in solidarischer Verbindung, denn Netzwerke sind wichtig!

Von maskulinistischen, antifeministischen oder anderweitig menschenverachtenden Einstellungen grenzen wir uns ab.